Kosmische Teilchen im Sonnensystem -
Messung geladener Teilchen
mit dem Kieler Instrument EPHIN
an Bord der SOHO-Raumsonde
- Ideal und Wirklichkeit
Holger Sierks, Doktorarbeit, 1997
Das Kieler Instrument EPHIN an Bord der Raumsonde SOHO ist eine Anordnung
von sechs Halbleiterdetektoren und einem Antikoinzidenzszintillator zur
Messung von Intensitäts-Zeit-Profilen und Energiespektren der Elektronen
(Energiebereich 100 keV bis >9 MeV) sowie der Wasserstoff- und
Helium-Isotope (4 bis >53 MeV/n) im interplanetaren Raum mit einer
hohen zeitlichen Auflösung.
Aufgrund der Erfahrungen mit den Instrumenten der Missionen HELIOS und
ULYSSES wurde
am Institut für Reine und Angewandte Kernphysik der Universität Kiel
ein Teleskop entwickelt, in dem die folgenden Konzepte verwirklicht wurden:
- Ein großer Geometriefaktor erlaubt die Auswertung auch kleiner
solarer Ereignisse mit einer guten Statistik sowie die Untersuchung
geringer Anteile der Wasserstoff- und Helium-Isotope in solaren
Ereignissen und in der galaktischen kosmischen Strahlung.
- Die Segmentierung der zwei ersten Detektoren ermöglicht eine gute
Energiebestimmung der Teilchen und somit die Auflösung
der Helium-Isotope bei Intensitätsverhältnissen unter 1/100.
- Randeffekte in diesen Detektoren werden
durch einen Guard-Ring weitgehend verhindert.
- Niedrige Ansprechschwellen ermöglichen
den eindeutigen Nachweis von Elektronen.
Die Eichmessungen an Teilchenbeschleunigern zeigen eine gute
Massenzuordnung und Energiebestimmung
bei steckenbleibenden Nukleonen im Energiebereich von 5-120 MeV.
Die Eichung mit Elektronen von 200 keV-14 MeV belegt
die gute Bestimmung der Einfallsenergie für steckenbleibende Elektronen.
Mit den Stützstellen aus der Energieeichung wird durch eine
Monte-Carlo-Simulation die
energieabhängige Ansprechfunktion des Instruments für
isotrop einfallende Elektronen, Protonen und He-Kerne bestimmt.
Die Untersuchung der Flugdaten zeigt das aus der Konzeption
erwartete Verhalten des Instruments. In den ausgewerteten ersten acht
Monaten der
SOHO-Mission registriert das Instrument kontinuierlich
Teilcheneinfälle im interplanetaren Raum.
Die Analyse der Flugdaten ergibt:
-
In den Pulshöhenmatrizen lassen sich die am Meßort vorhandenen
Teilchensorten (Elektronen, Protonen, Deuterium-, 3He-
und 4He-Kerne)
identifizieren.
- Bei isotropem Teilcheneinfall zeigt sich ein Untergrund durch eine
fehlerhafte Energiebestimmung von Teilchen.
- Daraus ergibt sich eine Verunreinigung der Zählkanäle des
Instruments,
- Für Elektronen und Nukleonen werden Korrekturverfahren
zur Bereinigung der Zeitprofile und zur Bestimmung der Energiespektren der
Teilchenspezies angegeben.
- Der Energiebereich des Instruments kann für Nukleonen bis zu Energien
deutlich oberhalb von 100 MeV/n ausgedehnt werden.
Mit den entwickelten Auswertemethoden wurden
ausgewählte Phänomene in der Anfangsphase der Mission untersucht, nämlich
die galaktische kosmische Strahlung im solaren Minimum,
das impulsive solare Ereignis vom 9. Juli 1996 und
korotierende Wechselwirkungszonen bei hohen und niedrigen Energien.
Die Ergebnisse zeigen:
- Die mit dem EPHIN-Instrument bestimmten absoluten Intensitäten
und Energiespektren von Protonen, 4He
(anomale Komponente), 3He,
2H und Elektronen der galaktischen kosmischen Strahlung
sind in guter Übereinstimmung mit den Messungen anderer Instrumente
zu Zeiten des solaren Minimums.
- Die zeitlichen Variationen der Intensitäten
im Verlauf des solaren Ereignisses
und der korotierenden Wechselwirkungszonen lassen
sich zuverlässig bestimmen.
- Das Verfahren der Teilchentrennung ermöglicht
neben der selektiven Behandlung der Nukleonen und Elektronen auch
die Bestimmung der Spektren von galaktischen 3He-
und Deuterium-Kernen
sowie des 3He/4He-Verhältnisses
galaktischer Teilchen und in solaren Ereignissen.
- In der Kurzzeitmodulation zeigt sich ein unterschiedliches Verhalten
der anomalen Komponente im Vergleich mit den Protonen gleicher Energie
und mit Protonen gleicher Steifigkeit.
-
Das EPHIN-Instrument bietet eine gute 1-AU-Bezugslinie
für die Raumsonde ULYSSES.
Es ist anhand des bisherigen Missionsverlaufs zu erwarten,
daß das EPHIN-Instrument an Bord der Raumsonde SOHO
zu neuen Erkenntnissen über die kosmische Strahlung beitragen kann.
Das Kieler Instrument ist dabei im Verbund mit
Instrumenten auch auf anderen Raumsonden
zu sehen und kann in der gemeinsamen Betrachtung einen wertvollen
Beitrag zur Erforschung der räumlichen und zeitlichen Struktur der
Heliosphäre liefern.