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Die Arbeitsgruppe "Physik biologischer Kompositmaterialien" am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität
Kiel untersucht strukturelle biologische Materialien, insbesondere Holz und natürliche Zellulosefasern wie z. B. Flachs.
Auf diesem interdisziplinären Gebiet arbeiten wir in internationalen Kollaborationen mit Physikern, Materialwissenschaftlern, Biologen,
Chemikern und Holzwissenschaftlern zusammen (s. Zusammenarbeit).
Holz ist ein außergewöhnliches Material, da es hohe Festigkeit mit niedriger Dichte kombiniert.
Diese einzigartigen mechanischen Eigenschaften haben ihren Grund in der Mikro- und Nanostruktur [52].
Zellulosefasern und Holz sind hierarchisch strukturierte Biomaterialien.
Sie besitzen Kompositeigenschaften, da sie aus "harten" Zellulosekristallen (Mikrofibrillen) bestehen
(Länge einige μm, Durchmesser 2-20 nm), die in eine weiche Matrix eingebettet sind.
Die Mikrofibrillen liegen parallel zueinander und bilden eine Helix, die um die Faser - oder Holzzelle umläuft (s. Abb. 1).
Von entscheidender Bedeutung für die mechanischen Eigenschaften von Fasern oder Holz ist der Winkel, den diese Helix
mit der Zellachse bildet (Mikrofibrillenwinkel = "microfibril angle", MFA). Die Röntgenstreuung mit mikroskopischer
Ortsauflösung liefert Informationen auf Längenskalen von der Zellulosekristall-Elementarzelle bis zu Variationen des MFA innerhalb
der Zellwand (Abb. 1) [12,
19,
28,
26,
29,
30,
31,
41,
43,
48,
52,
53,
55].
Interessante Ergebnisee sind auch zur Biosynthese von Zellulose möglich [41,
44].

Schematischer Aubau einer Holzzelle und Prinzip der Bestimmung des Zellulose-Mikrofibrillenwinkels (MFA)
in einem Röntgen-Mikrostrahl-Streuexperiment an einem Synchrotron.
Diesem ersten Schritt, der Charakterisierung von Struktur und Morphologie, folgt die Bestimmung der daraus resultierenden
mechanischen Eigenschaften (Elastizitätsmodul, maximale Dehnung). Dehnungsexperimente mit in Kiel entwickelten Apparaturen
werden erfolgreich in situ mit Röntgenstreuung kombiniert. Dabei wird insbesondere auch der Einfluß von
Wasser durch Variation des Feuchtigkeitsgehalts gezielt untersucht.
ESRF-Spotlight zum Mechanismus der Dehnung von Holz; siehe dazu auch Veröffentlichung [52].
Als Ergebnis dieser Projekte soll ein Modell für Zellulosefasern und für das natürliche Nanokomposit Holz entwickelt werden.
Die Erkenntnisse können in das Design neuartiger Materialien einfließen.
Von großer Wichtigkeit für die Eigenschaften eines Komposits ist die Matrix, in die harte Bestandteile eingebettet sind.
Im Falle von Zellulosefasern spielt diese Rolle ungeordnete Zellulose, die die Mikrofibrillen umgibt. Inelastische Neutronenstreuung
ist sehr sensitiv auf die lokalen Eigenschaften von Molekülen. Mit dieser Methode konnte die Universalität der ungeordneten
Bereiche natürlicher Zellulose nachgewiesen werden [27]. Auch die bevorzugte Orientierung auch der ungeordneten Zellulosemoleküle
in Faserrichtung konnte mit INS nachgewiesen werden.
Unsere Arbeiten zu diesem Thema [20,
32,
33]
lassen zusätzlich sehr interessante Ergebnisse zur Unterkühlung von Wasser
erwarten, wie sie auch in Proteinen gefunden wird. Mit Röntgen- und Neutronenstreuung lassen sich unterkühltes Wasser und
neue amorphe Phasen von Eis strukturell und dynamisch mit höchster Genauigkeit untersuchen. Auch hier erweist sich gerade die
inelastische Neutronenstreuung als eine ideale Sonde, mit der eine Unterkühlung an Zellulose gebundenen Wassers bis hinab zu
200 K nachgewiesen werden konnte [32].
Als kooptiertes Mitglied des deutschen Komitees "Forschung mit Neutronen" (KFN) und Ressortleiter
"Nutzer- und Nachwuchsförderung" leitet Herr Prof. Dr. Müller ein Projekt, das die Verbesserung der Darstellung der
Neutronenforschung in der Öffentlichkeit zum Ziel hat. Erstes Ergebnis ist der neue Internetauftritt des KFN unter
http://www.neutronenforschung.de.
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